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Akupunktur Die Akupunktur ist eine mittlerweile auch von der Schulmedizin weitestgehend akzeptierte Methode, die gerade im Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe bei vielen Störungen erfolgreich angewendet werden kann. Der Vorteil der Methode liegt darin, dass sie gefahrlos und nahezu frei von Nebenwirkungen ist und daher bis auf ganz wenige Ausnahmen bei allen Personen durchgeführt werden kann.
Vorstellungen der chinesischen Medizin zum Wesen des Lebens und zur Entstehung von Krankheiten Lebenskraft, Lebensenergie, Qi Das chinesische Konzept der Lebensenergie geht über die westlich physikalische Energievorstellung weit hinaus. Die Übersetzung von Qi als "Energie" ist wenig befriedigend, da unser Energiebegriff in erster Linie von der Physik geprägt ist. Der Atomphysiker David Bohm versteht die Lebensenergie als "Quantenpotential", d.h. als eine "höhere" Quantenqualität, die jeder Materie innewohnt und jenseits von Raum und Zeit existent ist. Diese abstrakt-physikalisch quantenmechanische Erklärung bringt uns dem biologisch-medizinischen Verständnis des Phänomens Qi nicht näher.
Die Lebensenergie Qi gestaltet die Funktionen der Organe und deren vielfältiges Wechselspiel. Jeder Lebensvorgang, jede Organfunktion ist Ausdruck des Wirkens und der Bewegung von Qi. Die Funktionen der Organe und deren spezifische Leistungen werden von dem Qi, das den jeweiligen Organen innewohnt, hervorgebracht. Die Atmung als Funktion der Lungen, die Verdauung der Nahrung als Funktion des Magens und Darms sind Ausdruck des Wirkens des Qi dieser Organe. Neben der Qualität der Funktionen reguliert die Lebensenergie Qi auch die Quantität der Funktionen. Ist die Lebensenergie eines Organs geschwächt, so ist die Funktion dieses Organs nur unvollständig oder mangelhaft. Ist das Qi des Organs jedoch im Übermaß vorhanden, so hat dies eine überschießende Funktion zur Folge. Nach antiker Vorstellung durchströmt die Lebensenergie Qi den Körper, vergleichbar den Flüssen, die die Kontinente durchziehen. Die Meridiane, die "Energieflüsse" des Körpers, führen das "Meridian-Qi", das durchfließende Qi, welches vornehmlich in den oberflächlichen Schichten des Körpers, ähnlich dem Blutkreislauf, zirkuliert. Daneben fließt das Qi auch in einem inneren "Organkreislauf" zwischen den inneren Organen. Diese beiden Energiekreisläufe hängen funktionell eng miteinander zusammen, dazu mehr im nächsten Kapitel.
Ähnlich wie in der chinesischen Medizin gibt es auch in der indischen Heilkunde seit über 2000 Jahren die Vorstellung einer universellen Lebenskraft, Prana oder Kundalini genannt, die über den Atem aufgenommen wird, Funktionen im lebenden Körper hervorbringt und mit Hilfe von Atemübungen, Pranayama, beeinflußt werden kann. Das indische Yoga ist auf diesen Vorstellungen aufgebaut. Auch im Westen gab es bis vor ca. 100 Jahren, z.B. in der Medizin der Romantik, die Vorstellung einer Lebenskraft, die Christoph Wilhelm Hufeland in seinem Hauptwerk "Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern" beschreibt. Richtet der Patient seine Aufmerksamkeit auf einen erkrankten Körperbereich, z.B. einen Kopfschmerzbezirk, in dem einige Akupunkturnadeln liegen, so verspürt er oft ein Fließen in dieser Region, durch das die Schmerzen als Ausdruck der Blockade langsam abnehmen. Viele Patienten empfinden ein "Wegfließen" des Schmerzes. Durch das bewußte Fokussieren der Aufmerksamkeit auf diese Empfindungen wird das Fließen des Qi verstärkt und so der Heilungsprozeß beschleunigt. In den vergangenen Jahren hat sich vor allem in Amerika aus traditionellen Heilsystemen eine neue Therapierichtung entwickelt, Energiemedizin genannt, die die verschiedenen Vorstellungen einer universellen Lebenskraft in den Mittelpunkt ihrer Diagnostik und Therapie stellt. Die Energiemedizin beruht im Wesentlichen auf dem direkten Umgang mit der Lebensenergie. Mehr dazu im Therapiekapitel. Durch Verfeinerung der Sensibilität und Entwicklung der Intuition gelingt es dem Therapeuten, Störungen der Energie, z.B. Energieblockaden, direkt wahrzunehmen. Parallel zum diagnostischen Auffinden von Energiestörungen ermöglichen neben der Akupunktur verschiedene bewußte "Energietherapiemethoden" das Transformieren bzw. das Auflösen der Störungen und damit das Wiederherstellen des harmonischen Fließens der Lebensenergie. Die Wurzeln: Tao, Yin und Yang Das Tao, die schöpferische Urkraft der Natur, erzeugt das polare Spannungsfeld der Kräfte zwischen Yin und Yang (Yin wird "In" gelesen, Yang wie "Jang"). Aus diesem Spannungsfeld der komplementären Yin- und Yang-Kräfte entstehen alle Dinge, auch die Lebenskraft Qi, die Grundlage allen Lebens. Tao als das unmanifestierte, schöpferische Urprinzip der Natur ist die Basis aller dynamischen Wandlung und aller Lebensvorgänge. Neben der Vorstellung vom Tao spielt das polare und komplementäre Yin-Yang-System eine grundlegende Rolle in der chinesischen Naturbeschreibung der Antike und damit auch für die zu jener Zeit entstandene chinesische Medizin. Das Tao bringt im Wechselspiel der komplementären Kräfte Yin und Yang die Lebensenergie Qi hervor. Die ursprüngliche Bedeutung von Yang, die sich im entsprechenden altchinesischen Schriftzeichen spiegelt, ist die sonnige Seite des Hügels, während Yin die Schattenseite symbolisiert. Der Himmel ist Yang, die Erde Yin, männlich ist Yang, weiblich Yin, warm ist Yang, kalt ist Yin, aktiv Yang, passiv Yin. Alle Gegensatzpaare der Natur werden so dieser Yin-Yang-Polarität zugeordnet. Im dynamischen Wechselspiel ergänzen sich Yin und Yang in unaufhörlichen Prozessen der Umwandlung und führen zur Harmonie der Ganzheit. Es gibt kein Yin ohne Yang, beide Kräfte gehören unabdingbar zur Ganzheit, die im Chinesischen Taiqi heißt. Gerade in der Medizin ist dieses polare System bei der Beschreibung von Lebensvorgängen im menschlichen Körper und deren Störungen von großer Bedeutung. Polares Yin-Yang-Entsprechungssystem
Neben dem Yin-Yang-System, das dem Verständnis polarer Vorgänge diente, wurde im 3. vorchristlichen Jahrhundert das System der "5 Wandlungsphasen" zur Kategorisierung von phasisch ablaufenden Vorgängen eingeführt. Bei dieser Lehre handelt es sich um ein Entsprechungssystem, in dem physische Abläufe oder Phänomene in 5 "Wandlungsphasen" eingeordnet werden. Die Methode trug zur Vereinheitlichung des antiken naturphilosophischen Weltbildes bei. Von der traditionellen chinesischen Medizin wurden verschiedenste Naturvorgänge und prozeßhafte Abläufe in dieses System von 5 abstrakten Grundfaktoren eingeordnet. Die fünf Wandlungsphasen sind Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser. Diese fünf Grundfaktoren stehen in einer innigen Wechselbeziehung der gegenseitigen Hervorbringung oder Förderung, wie auch der Hemmung bzw. Kontrolle zueinander. Viele medizinische Gegebenheiten und Vorgänge, z.B. die Funktion von inneren Organen, Geweben und Sinnesorganen, der Einfluß von Wetterfaktoren usw., lassen sich den fünf Wandlungsphasen zuordnen.
Die Grundlagen der chinesischen Medizin wurden 200 Jahre v.u.Z. in der klassischen Schrift des Huang Di Nei Jing ausführlich dargestellt. Dieses "Lehrbuch der physischen Medizin des Gelben Kaisers" ist in Form eines Dialogs zwischen Huang Di, dem Gelben Kaiser, und seinem Arzt Chi Po abgefaßt. Wesen und Ursache von Krankheiten Eine Fülle (d.h. Überfülle) der Lebensenergie, chinesisch Shi, ist die zweite wichtige Störung von Qi. Man spricht hier von einem Yang-Zustand, der zu einer überschießenden Funktion der entsprechenden Organsysteme führt. Schwäche- und Füllestörungen
Wichtige Symptome bei Füllestörungen sind Fülle- und Spannungsgefühl, Blutfülle, Rötung, akuter, stechender oder krampfartiger Schmerz. Innere Unruhe, Nervosität und Übererregung sind die psychischen Auswirkungen der Überfülle von Qi. Hitze als Hauptsymptom der Füllestörung kann z.B. auf ein Gelenk beschränkt sein oder sich in Form von Fieber im ganzen Körper äußern. Bei Stagnation oder Blockade der Lebensenergie kommt es zu Stauungen im harmonischen Fließen des Qi, überwiegend in der Peripherie des Körpers. Als Folge dieser Stagnation treten meist Füllezustände auf, z.B. Muskelverspannungen, Muskelschmerzen, Myogelosen (Muskelknoten) und Bewegungseinschränkung. Auch bei Kopfschmerzen liegt nach chinesischer Vorstellung eine derartige Blockade vor und folglich meist eine Überfülle von Qi, die zu Spannungsgefühlen und akuten Schmerzen führt. Störungen vom Fülle- oder Schwächetyp findet man entweder in den Meridianen oder in den Organen. Gerade Schwächestörungen können in den verschiedenen Teilen der inneren Organe auftreten; man spricht von Schwäche des Qi, des Yang oder des Yin der Organe, z.B. Schwäche des Lungen-Yin. Unter Yang eines Organs versteht man in diesem Sinne die Funktion, unter Yin hingegen die Struktur bzw. Substanz des Organs. So kennt die chinesische Medizin ca. 50 definierte Störungsmuster, die auch "Syndrome der chinesischen Medizin" genannt werden.
Die wichtigsten Ursachen bei der Krankheitsentstehung sind nach chinesischer Vorstellung durch "äußere" klimatische und "innere" emotionale Faktoren bedingt. Krankheiten von außen treten auf, wenn die Einflüsse der umgebenden Natur, etwa in Form klimatischer Faktoren wie Kälte oder Wind, auf den geschwächten Körper wirken und so zu Qi-Störungen in den Meridianen und Organen führen. Äußere klimatische Faktoren sind Hitze bzw. Sommerhitze, Kälte, Trockenheit, Feuchtigkeit, Wind, oder eine Kombination dieser Faktoren, z.B. kalter trockener Wind. Die 5 bis 6 "Wetterfaktoren" ("Hitze" und "Sommerhitze" werden getrennt gesehen) haben für die chinesische Medizin eine doppelte Bedeutung: Einmal bezeichnen sie krankmachende klimatische Einflüsse (z.B. Kälte - Erkältung, Hitze - Hitzschlag), dann beschreiben und benennen sie auch körperliche Beschwerden - Fieber ist ein Hitzesymptom, wandernde Schmerzen werden als "innerer Wind" beschrieben, kalte Gliedmaßen und steife Gelenke als Ausdruck des inneren "Kälte"-Faktors. So dient das System der fünf Wandlungsphasen der Beschreibung äußerer klimatischer Einflüsse und der Kennzeichnung körperlicher Symptome. Nach traditioneller Vorstellung dringen die klimatischen Einflüsse von außen in den Körper ein, z.B. über den Mund, das Gesicht oder die Haut, besonders bei Wechsel der Temperatur oder der Jahreszeiten. Die Stärke der Abwehrreaktion des Körpers ist von Bedeutung für die Entstehung der vielfältigen Symptome. Die Beschwerden können sehr wechselhaft sein und von einem Zustand in einen anderen übergehen, z.B. Kältesymptome in fieberhafte Hitzesymptome. Auch kommt es oft zur Kombination verschiedener Faktoren wie Kälte, Feuchtigkeit und Wind bei der Entstehung rheumatischer Erkrankungen. Man unterscheidet den Wind der Natur als krankmachenden äußeren Klimafaktor vom Wind als Beschreibungshilfe für körperliche Symptome. Wind als Klimafaktor schädigt den oberen Teil des Körpers, das Gesicht, den Nacken, die oberen Atemwege und die Haut. Er führt meist in Verbindung mit anderen Faktoren wie Kälte oder Feuchtigkeit zu Disharmonie im Körper. Nach chinesischer Vorstellung erzeugt intensive und langandauernde Windexposition bei geschwächter körperlicher Verfassung eine "Disharmonie" des Gallenblasenmeridians mit Blockaden und damit Schmerzen im Kopf, Nacken und an der Körperseite. Dadurch kann auch die Leber gestört werden. Als Beschreibungshilfe für körperliche Symptome spielt der Wind eine wichtige Rolle z.B. bei wandernden Schmerzen. Hitze ist ein Yang-Faktor und tritt in unterschiedlicher Stärke und Form auf: als "Sommerhitze", "Feuer" und "mäßige Hitze". "Sommerhitze" wird als krankmachender äußerer Einfluß aufgefaßt, der z.B. zum Hitzschlag führt. Feuer und mäßige Hitze dienen der Beschreibung körperlicher Beschwerden. Feuchtigkeit symbolisiert Trägheit, Schwere, Starre, Stillstand und entspricht somit der Yin-Polarität. Im Jahreszeitenzyklus wird die Feuchtigkeit dem Spätsommer zugeordnet. "Feuchte Luft" als krankmachender Faktor kann jedoch in jeder Jahreszeit wirksam sein. Dieser äußere klimatische Einfluß bewirkt im Körper eine Trägheit der Lebensenergie Qi mit Symptomen wie Schweregefühl, Dumpfheit und Steifheit. Rheuma ist eine typische Krankheit, bei der "Feuchtigkeit" eine große Rolle spielt. Auch zu feuchte Nahrung führt zu Störungen des Milz-Pankreas-Systems und somit der Verdauungsfunktion. Kälte steht im direkten Gegensatz zur Hitze und ist somit der Yin-Polarität zugeordnet und entspricht dem Winter. In jeder Jahreszeit können jedoch Kälteeinflüsse zu Erkrankungen führen, wenn der Körper geschwächt ist. Plötzliches Auftreten der Symptome ist kennzeichnend für den äußeren Kälteeinfluß. Neben dem Wind ist Kälte ein äußerer klimatischer Faktor von besonders krankmachender Wirkung. Durch Kälte wird das Fließen von Qi und Blut in den Meridianen verlangsamt oder blockiert; oft zeigt sich dies als Verlangsamung oder Hemmung der Bewegung. Degeneration bzw. arthrotische Erkrankungen sind chronische "Kälte-Yin-Erkrankungen". Die wirksamste Therapie ist die Moxibustion. Kälte hat besonders auf die Nieren sowie Knochen und Gelenke eine schädigende Wirkung. Die Niere als Quelle der aktiven Yang-Energie im Körper wird geschwächt. Angst schwächt die Niere, Wut und Zorn führen zu einer Disharmonie der Leber, die oft mit einer Füllereaktion verbunden ist. Traurigkeit schwächt die Lungenenergie, übermäßige Erregung schädigt das Herz, Grübeln führt zu Störungen der Verdauungsfunktion, der Milz, des Pankreas und des Magens. Von den emotionalen Faktoren werden sowohl die Yin- als auch die Yang-Organe beeinflußt, entsprechend dem System der fünf Wandlungsphasen. Aus: Stux, G,(1996) |